Montag, 4. Juni 2012

it's not about forcing happiness - it's about not letting the sadness win

Ich blättere eine Seite zurück, lese mir die Tipps eine Ballerina zu sein noch einmal durch, da klingelt das Telefon. Ich sehe C's Nummer auf dem Display aufleuchten und grüße sie wie üblich mit "hey", wovon sie vermutlich wie üblich nur den letzten Buchstaben hört.
Stille am Ende der Leitung. Nur leises schniefen, aber kein "hallo" von der lieben C. 
"Was ist los?", frage ich. 
Sie schnieft ein zweites Mal, ein drittes, dann fängt sie an: "Ich war eben in der neuen Wohnung". Während sie diesen Satz spricht, spüre ich einen kalten Schauer. Ich spüre einen Backstein, der in meinem Magen landet. Ich traue mich nicht, zu fragen, sondern warte nur, dass sie etwas sagt.
Irgendetwas ist passiert, etwas schlechtes, schwirrt es mir durch den Kopf. Jemand ist krank, gestorben, oder - 
"Tut mir leid, wenn ich weine. Aber es ist einfach so ... neu."
Ich atme innerlich erleichtert auf. Sage jedoch noch immer nichts. Ich überlasse es C ihre Geschichte zu erzählen. 
Ich finde C's Probleme einfach. Zumindest einfacher, als meine eigenen. Aber sie ist mir sehr wichtig und für sie bin ich, neben L, die einzige, mit der sie ihre Probleme teilen möchte. Ich bemühe mich, ihr aufmuntert zu zusprechen, wann immer ich kann. Ihr Tipps zu geben, wo es geht. 
Aber die traurige Wahrheit ist, dass ich das eben nicht immer kann.
Heute kann ich es nicht.
Inzwischen ist C fertig und wartet darauf, dass ich mit meinem üblichen Therapeuten- / Psychiater-Gerede beginne, aber ich lasse sie warten. 
Normalerweise finden solchen Situationen im Park, oder in der Eisdiele statt. Aber jetzt - am Telefon. Ich weiß nicht, woran es liegt, vielleicht liegt es tatsächlich einfach daran, dass ich sie nicht sehe, sondern nur höre. Und vielleicht will ich auch nur diesem Aspekt die Schuld an meinem Scheitern verpassen. 
Als mein Schweigen andauert fordert sie mich auf, etwas zu sagen. Ich sage, dass mir nichts einfällt.
Niederschmetternd. Sowohl für sie, als auch für mich. Denn wann immer jemand sagt "ich weiß nicht", heißt es "heul dich woanders aus". Aber so ist es nicht. Ich finde es ja gut, dass sie sich bei mir ausheult, nur eben nicht per Telefon.
Es ist schwer, wenn man unbedingt die Problem-lös'-Tante spielen muss. 
Meistens kommen sie zu mir. Wenn es nur C wäre, gut. Aber nein, es sind ein paar mehr. Das Schlimmste daran ist nicht das Jammern (das Jammern trifft nicht auf C zu), sondern die Gleichgültigkeit - "Du brauchst Zeit für dich? Für deine eigenen Probleme? Nein, du musst dich mit meinen beschäftigen!"
Liebe Menschen, auch ich habe Probleme. Und auch ich mag es lieber, wenn meine Probleme gelöst sind. Aber, um meine Probleme zu lösen, muss ich nachdenken. Und um nachdenken zu können, kann ich mich nicht mit euren kleinen Problemen beschäftigen (gilt nicht für C). 
Du kannst Probleme niemals durch die selbe Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind. 


Vielleicht kann ich auch nicht antworten, weil ich es nicht nachvollziehen kann. Und damit meine ich nicht ihre Probleme, sondern die Tatsache, dass sie ihre Probleme teilt.
Ich bin es gewohnt, meine Probleme für mich zu behalten, nicht damit hausieren zu gehen. Ich schreibe über sie, aber ich rede nicht. 
Meiner Meinung nach ist Schreiben besser. Das Papier ist leise, gibt dir Recht wenn du es willst, es verletzt dich nicht, in dem es gemeine Antworten gibt, es sagt nicht, dass du dich woanders ausheulen sollst. Es ist dein engster Freund. 
Wenn du sprichst, verstehen die Menschen meistens etwas anderes, als du gesagt hast. Probleme entstehen dort, wo eigentlich keine sein sollten. 
Es ist schwer, jemandem das zu vermitteln, was man fühlt. Aber noch schwerer ist es, das zu fühlen, was Jemand uns vermittelt, denke ich.
C's Probleme sind nicht einfach. Sie sind nur nicht meine eigenen. Nicht nur das, sie gleichen meinen eigenen auch nicht mal annähernd. Wie soll ich also in der Lage sein, vernünftig Hilfe zu leisten, wenn ich nicht weiß, wieso sie Hilfe will? 
Wenn sie mir eine Geschichte erzählt, die sie zum Weinen bringt - vor mir zum Weinen bringt, obwohl sie darauf bedacht ist cool zu tun, wenn sie mich in der Nähe hat -, weiß ich, es geht ihr schlecht. Das wüsste jeder. Sofort. Ohne groß darüber nachdenken zu müssen. 

Dann kommt normalerweise der Teil, wo ich aufmunternde Wahrheiten sage, die sie dazu bringen, das Problem zu fokussieren.
Aber heute ... Schweigen. Nichts. Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll. Das hatte ich noch nie. Es war, als ob jemand in meinem Kopf den Off-Schalter betätigt hätte. 
Ich gehöre nicht zu den Menschen, die auf andere zugehen, wenn sie merken, dass ihr Umfeld Probleme hat. Ich warte, dass mein Umfeld merkt, dass es Probleme hat und über diese sprechen will. Vorher ist es - leider - Zeitverschwendung.
C merkt oft, dass sie irgendein Problem hat. Und genauso oft, spricht sie mit mir offen darüber.
Was gibt es da noch zu sagen? Es ist an der Zeit, dass Leute ohne mich funktionieren. Denn ich bin nicht auf der Welt um anderen zu zeigen, wie man lebt. 
Ich muss erstmal zusehen, dass ich meine eigenen Gefühle in den Griff bekomme. Dann kann ich mich mit denen Anderer befassen. 

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